Sanierung der Zehntscheune bis Ende 2023 abgeschlossen
(v.l.): Thomas Krebs (Amt für Hochbau und Gebäudebewirtschaftung der Stadt Kassel), Marcus Krätzel (Zimmerei Marx), Dirk Osmers (Büro HAZ Beratende Ingenieure für das Bauwesen GmbH), Joachim Bonn (Vorsitzender Förderverein Zehntscheune Waldau e.V.) und Stadtbaurat Christof Nolda.
Die Sanierungsarbeiten eines der ältesten Gebäude Kassels, der Zehntscheune in Waldau, neigen sich dem Ende zu. Der letzte Bauabschnitt für das Fachwerkhaus aus dem 15. Jahrhundert sollte Ende 2023 abgeschlossen sein. Die Zehntscheune kann sodann mit deutlichen Verbesserungen in der Ausstattung wieder vollumfänglich für Veranstaltungen genutzt werden.
„Die Zehntscheune ist ein besonderes architektonisches Denkmal in Kassel“, so Stadtbaurat Christof Nolda. „Es ist zudem die einzige kulturelle Einrichtung in Waldau für größere Veranstaltungen mit bis zu 400 Personen. Mit der neuen und barrierefreien Ausstattung kann die Zehntscheune dieser Bedeutung bald besser gerecht werden. Ich bin dem Förderverein sehr dankbar, dass er sich seit 2010 vorbildhaft für den Erhalt und die Pflege der Zehntscheune einsetzt.“ Die Sanierung durch das Hochbauamt in enger Kooperation mit der Unteren Denkmalschutzbehörde habe in den letzten Jahren stark vom ehrenamtlichen Engagement des Vereins profitiert.
Die Zehntscheune in Kassel-Waldau befindet sich in der Nürnberger Straße 140. Die Zehntscheune wurde 1464 gebaut und 1484 erstmals urkundlich erwähnt. Sie bzw. das Jagdzeughaus ist ein stattlicher langgestreckter Fachwerkbau. Das heutige Erscheinungsbild mit ausgemauerten Gefachen und hohem Satteldach entstand Ende des 15. Jahrhunderts. Seit etwa 1600 diente das Gebäude als Jagdzeughaus. Vom ursprünglichen Gebäude ist heute, nach einem Schaden im Zweiten Weltkrieg, nur noch ca. die Hälfte vorhanden.
Förderverein sorgt für Erhalt und Pflege
Das denkmalgeschützte Gebäude gehört seit 2012 zum Eigentum der Stadt Kassel und wird durch den gemeinnützigen Förderverein Zehntscheune Waldau e.V. getragen. Der Verein hat 56 Fördermitglieder, die sich seit 2010 ehrenamtlich für den Erhalt und die Pflege der Scheune engagieren. In der Zehntscheune finden durch den Förderverein organisierte Veranstaltungen statt, die überlokale Bedeutung haben, wie z.B. die Neujahrsbegrüßung, der Osterbrunch, die Entenkirmes oder das Weihnachtsbaumfest. Daneben finden derzeit zehn bis zwölf private Veranstaltungen im Jahr statt.
Die Sanierung der historischen Bausubstanz begann bereits 2012 mit der Südfassade. Entsprechend zur Verfügung stehender Mittel wurden die Bauabschnitte in mehreren Schritten angegangen, so in den Jahren 2013, 2016, 2019 und ab 2022. Durch die großzügige Gewährung von Bundesfördermittel aus dem Programm „Sozialer Zusammenhalt“ konnten die bis 2030 geplanten Sanierungsabschnitte zu einem großen abschließenden Sanierungsabschnitt 2022 bis 2023 zusammengefasst werden.
Die Sanierungsarbeiten an der historischen Bausubstanz umfassen nicht nur die Fachwerkfassade, sondern auch die Dachkonstruktion und den Schiefergiebel. Die vorhandene Toilettenanlage inkl. haustechnischer Installation wird nicht nur komplett erneuert, sondern auch vergrößert, sodass sie nun barrierefrei zugänglich ist. Außerdem wird ein Küchen- und Thekenblock eingebaut sowie ein Multifunktionsraum, der u. a. als Lager- und Künstlergarderobenraum dienen soll.
Vor ca. 40 Jahren wurde die Fachwerkkonstruktion mit dem sogenannten BETA-Verfahren saniert, welches sich jedoch aufgrund von Feuchteeintrag nicht als dauerhaft erwiesen hat. Die Schäden an der Fachwerkkonstruktion waren Anlass für eine ingenieurstechnische Untersuchung und Beurteilung der Bau- und Tragkonstruktion durchgeführt vom Büro HAZ Beratende Ingenieure für das Bauwesen GmbH.
Enge Abstimmung mit Denkmalschutz
Am Holztragwerk der Zehntscheune wurden vorhandene Schäden aufgenommen und eine Verformungsmessung durchgeführt. Auf dieser Grundlage wurde in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz die Planung erarbeitet. Diese sah neben Verbesserungen im Inneren im Wesentlichen die Reparatur der schadhaften Holzbauteile der Dach- und Fachwerkkonstruktion sowie die Verbesserung der Queraussteifung mittels zugfester Kopfbänder vor.
Die Fortschritte sind deutlich sichtbar: Zahlreiche schadhaften Holzbauteile der Dach- und Fachwerkkonstruktion mussten repariert oder ersetzt werden.© Michael Schwab/Stadt Kassel
Die Gesamtkosten werden sich voraussichtlich auf rund 1,47 Mio. Euro belaufen. Davon wird mit 600.000 Euro der größte Teil durch das Städtebauförderprogramm „Sozialer Zusammenhalt“ (ehemals Soziale Stadt) des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen zusammen mit dem Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen finanziert. Die Stadt ergänzt mit städtischen Eigenmitteln in Höhe von 710.000 Euro. Die Stadtsparkasse unterstützt das Projekt mit einer Spende in Höhe von 16.500 Euro. Außerdem sind seit 2012 80.000 Euro Fördermittel der Denkmalpflege Hessen in die Sanierung des Bauwerks geflossen. Der fehlende Betrag in Höhe von ca. 60.000 Euro wird über Einnahmen durch Vermietung und Verpachtung refinanziert.
Hintergrund: Auszug aus der Denkmaltopographie Stadt Kassel IV
Lang gestrecktes Fachwerkgebäude im Typ eines Vierständerbaus, heute ca. 15 m breit und 39 m lang. Ursprünglich Zehntscheune, eine solche wird im Zusammenhang mit der Kemenate erstmals 1484 erwähnt. Um 1600 Umnutzung als landgräfliches Jagdzeughaus, seitdem Nutzung für jagdliche oder militärische Zwecke. Um 1912 gab der Domänenfiskus das Gebäude in private Hand. 1914 plante der damalige Besitzer den Abbruch, führte diese Maßnahme aber nicht aus. Denkmalschutz seit 1937 (grundbuchamtlich eingetragen 1940).
Die westliche Hälfte wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und, soweit noch vorhanden, als gravierendste aller baulichen Eingriffe im Jahre 1965 (nach Garber/Ruß) abgebrochen, was eine Reduzierung der Länge von sieben auf drei Joche bedeutete. Der vom Verfall gefährdete, vom Eigentümer vernachlässigte Rest nach 1975 erfolgter Anordnung einer Ersatzvornahme und erst nach Besitzerwechsel 1976/77 saniert. Danach Nutzung als Tapeten- bzw. Getränkemarkt. Seit 2011 in städtischem Besitz, seitdem pachtweise Übernahme durch einen Förderverein als Veranstaltungsraum. In jüngster Zeit und der näheren Zukunft sukzessiv erneute Sanierungsarbeiten wegen gravierender Schäden, die die fehlerhafte Renovierung (“BETA-System“) in den 1970er-Jahren nach sich zogen.
Fachwerk-Ständerbau unter mächtigem, biberschwanzgedecktem Krüppelwalmdach. Zwei Dachgeschosse mit asymmetrisch sitzenden Schleppgauben. Bruchsteinsockel. Gefache mit nur leicht überputzter Bruchsteinausmauerung. Toreinfahrten an beiden Schmalseiten, auf der Ostseite in Rundbogenform wiederhergestellt. Westlicher Giebelabschluss nach Zerstörung bzw. Teilabbruch massiv ausgeführt, hier Schieferbehang. Fensteröffnungen und Gauben mit Klappläden verschlossen. Innen diverse Umbauten. PM:documenta-Stadt Kassel
Comments are closed